StartKünstliche IntelligenzDer Kollege ist ein Roboter

Der Kollege ist ein Roboter

Künstliche Intelligenz eröffnet neue Möglichkeiten im Journalismus

Da wird von Datenbanken gesprochen, von neuronalen Netzen, von festgelegten Parametern, von Mustern und Algorithmen, von semantischen Analysen oder von Machine Learning. Wir benutzen dieses Vokabular selbstverständlich, doch irgendwie bleibt es abstrakt. Elektrische Impulse rasen durch feinste Datenleitungen, sammeln auf Computerspeichern abgelegte Daten, verknüpfen sie erneut, systematisieren sie. Heraus kommt eine bestimmte Information oder vielleicht sogar ein verständlich geschriebener Text, der sich kaum von dem unterscheidet, den ein Mensch geschrieben hat. Das Ganze in Sekundenschnelle. Es macht uns Angst, wenn wir hören, dass das Ding auch noch selbstständig lernen kann. Und es fasziniert uns zugleich, weil es ja irgendwie zu funktionieren scheint.

Kollege Roboter ist nicht perfekt

Meistens jedenfalls. „regex not matched <h3>(.*)<\/h4>“ lautet die Dachzeile einer Feinstaubmeldung auf der Seite der Stuttgarter Nachrichten vom 21. November 2019. Die Überschrift sieht ähnlich aus. Es ist ein Bug, Kollege Roboter ist eben nicht perfekt. Die Stuttgarter Zeitung gehört zu den Vorreitern im Einsatz von automatisierten Redaktionssystemen und wird mit ihren innovativen Projekten Feinstaubalarm und Crimemap gerne im Zusammenhang mit Roboterjournalismus genannt.

Wenn Sensoren und Software nicht gut miteinander kommunizieren, kann es im Einzelfall zu Fehlermeldungen kommen. Screenshots: www.stuttgarter-zeitung.de

Hinter den beiden Projekten steckt unter anderem der junge Journalist Jan Georg Plavec, der die Idee dazu hatte und sie mit entwickelt hat. Crimemap war das erste redaktionelle Projekt der Stuttgarter Zeitung, das auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert. Die Zeitung selbst beschreibt es so: Der Computer wird mithilfe von sogenanntem Machine Learning trainiert, Polizeitexte aus dem Polizeipräsidium Stuttgart zu verstehen. Dabei sortiert das System sie in vorgegebene Kategorien ein und erkennt, wann und wo ein Ereignis stattgefunden hat. Das Ergebnis ist unter anderem eine Karte auf der Seite der Stuttgarter Zeitung (www.stuttgarter-zeitung.de/crimemap), die die Polizeistatistik quasi emotionslos für die einzelnen Stadtbezirke darstellt.

Der Feinstaubalarm, das bekanntere der beiden Projekte, kam später hinzu. Dabei fließen automatisiert Feinstaubinformationen aus den verschiedenen Stadtbereichen zusammen. Auf dieser Basis visualisiert das System die aktuellen Belastungen und verschriftlicht sie tagesaktuell. Dieses Projekt lässt sich dem „Journalismus der Dinge“ zuordnen, in dem Sensoren eine wesentliche Rolle spielen (Näheres dazu hier).

So etwas zu realisieren „geht aber nur im Team“, sagt Plavec. „Bei beiden Projekten waren unser Webentwickler Christian Frommeld, der Grafiker Oliver Biwer sowie meine Chefin Stefanie Zenke mit im Boot, dazu die jeweiligen Fachredakteure. Außerdem bei der Crimemap unser Technikpartner Arvato, von dem auch die KI fürs Auslesen der Polizeimeldungen kommt.“

Die Projekte der Stuttgarter Zeitung: Die Feinstaubkarte (Bild links) verrät, wie hoch die Feinstaubbelastung in welchen Stadtteilen ist und wo die Grenzwerte überschritten werden. | Screenshots: www.stuttgarter-zeitung.de
Auf der Crimemap sammelt die Tageszeitung alle Blaulicht-Informationen für die Stadt. Screenshots: www.stuttgarter-zeitung.de

Die Redaktion in Stuttgart habe die Technologien bisher stets behutsam eingesetzt, berichtet Jan Georg Plavec. „Und davor intensiv redaktionell diskutiert, was geht und was nicht geht, was gewollt ist und was nicht. Bei Polizeimeldungen beispielsweise verzichten wir mit Blick auf unsere redaktionsinternen Richtlinien und nicht zuletzt auch aus inhaltlichen Gründen bewusst auf eine Erhebung von Nationalitäten. Am Ende hilft die Technik uns, neue Entwicklungen und Geschichten zu finden, Informationslücken zu schließen sowie Themen zu setzen.“

Trotz des hohen Grades an automatisierten Vorgängen und Rechenprozessen, an denen nur Software oder elektronische Sensoren beteiligt sind, führt kein Weg am Menschen vorbei. „Für die Feinstaubtexte kann ich sagen, dass die Templates zu 100 Prozent von mir entwickelt worden sind. Auch bei der Crimemap macht die Software letztlich genau das, was wir Journalisten ihr auftragen. Somit würde ich sagen, dass in unseren Projekten ziemlich viel Mensch steckt.“ Vom System werden die Daten ausgelesen und systematisiert, vom Menschen aber bewertet und interpretiert.

Der oben erwähnte kryptische Ausdruck in den Feinstaubmeldungen „kommt übrigens zustande, wenn die Textmaschine einen unvollständigen Feinstaubbericht an unser Online-CMS sendet“, erklärt Plavec. „Die ‚Lücken‘ im Text werden dann mit dem regex-Ausdruck ‚aufgefüllt‘.“ Nachdem die Redaktion manuell eingegriffen hat, läuft das System einen Tag später wieder reibungslos. So, wie es erwartet wird.