Entlastung von Routineaufgaben
Plavec kann dem Roboter als Kollegen gerade für Routineaufgaben viel abgewinnen. „Es ist eine faszinierende Technik, mit der Sie 80 oder – wenn Sie mögen und die Daten haben – auch 10 000 Texte am Tag automatisiert, aber nach Ihren eigenen Vorgaben schreiben lassen können.“ Man könne „nach einer gewissen Entwicklungsphase automatisiert Tausende Polizeimeldungen auslesen und so zu einer Datenbasis kommen, wie sie die Polizei der Öffentlichkeit hierzulande leider vorenthält“. Die Polizeiliche Kriminalstatistik werde nur einmal im Jahr und bestenfalls für ganze Städte publiziert, nicht aber beispielsweise für Stadtbezirke.
Den Haupteinsatz der Systeme sehen Experten überall dort, wo viele Routinetexte anfallen. Das Wirtschaftsmagazin Forbes lässt täglich automatisiert Börseninfos generieren. Auch die Nachrichtenagentur Associated Press nutzt kleine automatische Programme, um Kursentwicklungen und Quartalsbilanzen zu veröffentlichen.
Ein weiteres beliebtes Einsatzfeld ist der Fußball. Ob Spielberichte aus den Kreisklassen oder Liveticker der 1. Bundesliga – unermüdlich sammeln die Maschinen Infos, werten Daten aus und veröffentlichen Spielgeschehen und Ergebnisse. Sogar Floskeln fließen in die Beiträge ein, das soll sie „menschlicher“ machen. Auf entsprechende KI-Software setzen zum Beispiel das Online-Projekt FussiFreunde, die WELT und der Kicker.
Aber auch hier zeigt sich, dass die Maschine nicht unfehlbar ist. Die Begegnung des Regionalligisten Wuppertaler SV und der U23 von Borussia Dortmund wurde wegen heftiger Unwetter in Wuppertal nach zwölf Spielminuten abgebrochen. Als Spielergebnis wurde 0:0 publiziert. Der generierte Spielbericht verriet nichts über den Abbruch. Solche Spielberichte basieren auf Liga-, Spiel- und Vereinsdaten, die jemand ins System eingibt. Hier hatte der Datenlieferant den Hinweis „Abbruch“ vergessen. In komplex arbeitenden Systemen können eben Fehler vorkommen. Einer Zukunft der Roboter in den Redaktionen steht das kaum entgegen.
Denn der unermüdliche Kollege sorgt auch dafür, dass nahezu alles automatisch analysiert wird: SEO-Tags, Social-Media-Beiträge zu bestimmten Themen, der Frauenanteil in den Artikeln, Autorenrankings, redaktionelle Text- und Bildbeiträge von Mitbewerbern oder Foreneinträge. Je komplexer die Analysetools im Hintergrund arbeiten, desto größer die Mengen an verwertbaren Daten. Nutzerverhalten, beliebte Themen, Suchbegriffe, Twitter, Instagram und Co. – Userin und User sind längst ein offenes Buch und liefern der Redaktion wertvolle Hinweise. Was früher mühsam und zeitintensiv von Hand gemacht wurde, geschieht heute in Echtzeit und hat direkten Einfluss auf die Berichterstattung.
Besonders konsequent orientiert sich die schwedische Zeitung Svenska Dabladet an Algorithmen und deren Analysen. Der redaktionelle Fokus muss auf die Themen gelegt werden, die Userinnen und User am meisten schätzen. Was für sie relevant ist und im Echtzeitranking ganz oben steht, wird bevorzugt bedient. Da fällt es schwer, eigene Themen gegen den von Maschinen erfassten Trend zu setzen: Die Nische kann dabei untergehen.
Autor: Frank Sonnenberg, Ein Beitrag aus JOURNAL 6/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2019.